1. Kriegsmüdigkeit Im August 1914 begann der Erste Weltkrieg, der in der russischen Gesellschaft zunächst für Begeisterung sorgte: ein Volk vereint, gemeinsam hinter dem Zaren und hinter der Idee, das Vaterland zu verteidigen. Nach drei langen Kriegsjahren, die große Opfer gefordert hatten (allein 1916 hatte Russland mehr als zwei Millionen Tote und Verletzte zu beklagen) schlug die Stimmung im Volk um. „Der Glaube an Erfolg und das Vertrauen in die Regierung sind erschüttert", fasste der Historiker Nikolai Golowin die Atmosphäre in der Gesellschaft zusammen. |
2. Wirtschaftliche Probleme Der Schriftsteller Wiktor Schklowski sah im Februar 1917 die Petersburger Bewohner in Schlangen stehen und „sehnsüchtig" auf einfaches Brot schauen. Erstaunlicherweise lag die katastrophale Versorgungslage zu Beginn der Revolution gar nicht an einer Lebensmittelknappheit, sondern an logistischen Problemen – alle Lebensmittel wurden direkt an die Front geliefert. Hinter der Frontlinie – im Hinterland genauso wie in der Hauptstadt – wurden die Brotrationen immer knapper. Am Ende elektrisierte die Hungersnot ganze Menschenmassen. „Die Industrie war der Aufgabe nicht gewachsen. Lebensmittelknappheit und schlecht ausgebaute Eisenbahnen waren die Ursachen für das Leiden der städtischen Bevölkerung in der zweiten Hälfte des Kriegs", schreibt der Historiker und Ökonom Michail Florinski. |
Die ultralinke Partei der Bolschewiki wurde zu der Macht, die die Provisorische Regierung absetzte. Kopf der Bolschewiki war der ehemalige politische Exilant Wladimir Lenin, der am 16. April (3. April) aus der Schweiz nach Petrograd zurückgekehrt war und sofort eine radikale Politik propagierte. In seinem Programm mit dem Titel „Aprilthesen" rief Lenin zur sofortigen Beendigung des Krieges, Enteignung des Großgrundbesitzes und der Landaufteilung sowie zum Machtwechsel zugunsten der Sowjets auf. Damals bekam Lenin noch keine Unterstützung. |
Im April 1917 sicherte Pavel Miljukov, Außenminister und Mitglied der Provisorischen Regierung, seinen Verbündeten in einer Note zu, dass Russland allen Verpflichtungen nachgehen und den Krieg bis zum Sieg führen werde. Diese Aussage zog einen Wutausbruch des Volkes nach sich, das kriegsmüde war – zwei Tage lang wurde demonstriert und protestiert. Das Volk forderte ein Ende des Krieges, die Auflösung der Regierung und eine Machtübergabe an die Sowjets. Diese Krise konnte noch gelöst werden – Minister Miljukov wurde entlassen und gemäßigte Sozialisten – wenngleich auch keine Bolschewiki – wurden in die Regierung aufgenommen. |
Eine weitere Krise brach im Juli aus. Die Bolschewiki schickten am 16. bis 18. März (3. bis 5. Juli) bewaffnete Matrosen, Arbeiter und Anarchisten auf die Straßen, die „Alle Macht den Sowjets" riefen und die Truppen der Provisorischen Regierung provozierten. Die Regierung löste die Aufstände mithilfe loyaler Truppen auf. Daraufhin wurden die Bolschewiki als deutsche Spione gebrandmarkt und verboten. Lenin floh nach Finnland. Der Minister und Vorsitzende der Regierung Alexander Kerenski übernahm die Macht. |
Nach dem linken Schlag kam der Schlag von rechts. Am 25. August (7. September) marschierte der oberste Kriegsherr General Lawr Kornilow nach Petrograd, wo er eine Militärdiktatur verkünden wollte – eine gemeinsame Absprache mit Kerenski. Doch der Regierungsvorsitzende, der nun um seine Macht bangte, brach das Bündnis und lief zu den Linken über. Mithilfe rehabilitierter Bolschewiki konnten Kornilows Truppen aufgehalten werden. Der Ruf Kerenskis war allerdings beschädigt. |